Nur das eine noch.

Nachhaltigkeit hat oberste Priorität, wir müssen uns beeilen, unser Leben und Wirtschaften umzustellen, Emissionen zu reduzieren, klimaneutral zu werden. Wir bauen um in Richtung nachhaltiger Mobilität, sparsamen Umgangs mit den Ressourcen, Eindämmung des Flächenverbrauchs.
Bis hierher werden die allermeisten zustimmen, das steht schließlich auch in den verschiedensten programmatischen Dokumenten. Nur, wie genau soll dieser Weg ins Klimaland aussehen? Er beginnt auf jeden Fall mit konkreten, tagtäglichen Entscheidungen. Und hier fangen die Probleme an. Natürlich wollen wir umstellen, aber das eine und andere braucht es halt einfach noch, bevor wir Ernst machen…

Beispiel 1. Mobilität. Weiterer Ausbau des Schienenverkehrs und der Buslinien. Absolut notwendig. Neue Straßenprojekte nur unter ganz bestimmten Bedingungen, die keine weitere Zunahme des Verkehrs fördern. So steht es im Plan. Konkret, wenn wir zum Beispiel zwei Kreuzungen im oberen Pustertal angehen, auch weil wir eine Finanzierung dafür haben, graben wir dann die ganze Gegend um und planen komplexe Bauwerke, die nur ja verhindern sollen, dass es auch nur ein paarmal im Jahr zu ein paar hundert Metern stockenden Verkehrs kommt. Anders ausgedrückt, wir fördern den Straßenverkehr, weil wir nicht glauben, ihn reduzieren zu können. Aber natürlich reduzieren wir ihn nicht, wenn wir ihm ständig den Weg frei machen. Wir tun das Richtige, ohne das Falsche bleiben zu lassen.
Das genügt nicht.

Beispiel 2. Am Kronplatz ist eine Seilbahn auszuwechseln. Wo man schon dabei ist, gedenkt man noch schnell eine neue Piste bis nach Reischach herunter zu bauen. Eine auch durchschnittlichen Skifahrenden zumutbare, die hatte man bisher offensichtlich vergessen. Große Bauarbeiten, massiver Ressourcenverbrauch, und anno 2024 noch eine neue Piste bis auf 900 Meter herab. Natürlich, man wird sich schon überlegen müssen, wie das mit dem industriellen Skitourismus weiter geht mit Klimawandel und so, aber erst einmal machen wir weiter wie gehabt, wenn es sein muss mit der Brechstange, das braucht es einfach noch. An das neue Loch in der Landschaft wird man sich gewöhnen, und in Zukunft gehen wir dann neue Wege, bald einmal.
Das genügt nicht.

Beispiel 3. Nur eines von vielen – in der Industriezone Bruneck West ist irrtümlich ein Stückchen Wiese bis heute unverbaut geblieben, gegenüber dem Milchhof. Da war in letzter Zeit allerhand geplant, nach neuestem Stand sollen es eine Tankstelle, ein Hotel, ein Handelsbetrieb und ein Fast Food mit Drive-in werden. Alles dringend benötigt, natürlich. Das Stück Wiese ist schließlich nichts wert so, und warum sollen ihre Eigentümer nicht dasselbe dürfen, das alle anderen auch gedurft haben? Also pflastern wir das eben auch noch zu, bzw. „setzen es in Wert“. Wir müssen aber schon sehen, dass wir bald den Flächenverbrauch und die Bodenversiegelung in den Griff bekommen.
Das genügt nicht.

Das genügt wirklich nicht. Wir können uns die ambitioniertesten Pläne und Konzepte ausdenken, können das beste Fachwissen einsetzen – wenn wir nicht auch in den kleinsten konkreten Entscheidungen endlich umstellen, und zwar exakt ab jetzt, dann wird das nichts. Dann werden sich weiter viele Menschen engagieren und mit vielen guten Projekten gute Ergebnisse liefern, aber es wird nicht reichen. Wenn wir 100 Jahre Zeit hätten, könnte man ja sagen, dass wir gut unterwegs sind. Aber die haben wir nicht.

„Genug“ ist ein Wort, das man sehr ungern hört ist in unserer Zeit. Wir wollen die ökologische Transformation, wir wollen alles nachhaltig haben, aber genug dürfen wir niemals haben. Damit ja niemals das Wachstum ausbleibe. Solange dieses aber immer und überall an erster Stelle steht, reicht all unser Bemühen nicht. Erst wenn wir „genug“ sagen können, wird es genügen.

02.04.2024
Hanspeter Niederkofler

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